Kahlschlag im Harz

Was ist los im deutschen Wald?

Immer, wenn in einer Gruppe geplaudert wird und es um den Zustand des Waldes geht, gibt es einen dabei, der zu berichten weiß: Neulich war ich im Harz. Krass, kein Wald mehr, alle Bergrücken ratzekahl!

Der Harz ist zum Sinnbild des Waldsterbens in der Klimakrise geworden. Trockenstress und dann schlägt der Borkenkäfer zu. Nach dem Kahlfraß kommt der Kahlschlag. Angeblich, um die verbliebenen gesunden Fichten vor dem Käfer zu schützen. Nur, gesunde Fichten gibt es nicht mehr. Es sieht aus im Harz wie nach einem Krieg. Ein Krieg Mensch gegen Natur.

Der Leiter des Naturparks Harz im Interview auf die Frage, ob das Fichtensterben dem Tourismus schade: im Gegenteil, es kommen so viele Touristen wie nie zuvor. Sensationstourismus. Naja, noch harmlos im Vergleich zu den Kreuzschifftouris, die im arktischen Meer gut eingemummelt und vollgefressen mit Gruselbehagen den Gletschern beim Abtauen zusehen, zu dem sie selbst beitragen.

Der Harz, Kriegsschauplatz: Mensch gegen Natur.

Waldsterben im Harz? Nee, was da stirbt, das war gar kein Wald. Denn tatsächlich ist der Harz ein Nachkriegschauplatz. Im Harz und vielen anderen Regionen, vor allem in Nord- und Ostdeutschland, wurden Massen von bestem Holz eingeschlagen und gingen als Reparationsleistung vor allem in die Sowjetunion, aber auch nach Frankreich und Großbritanien. Da wo Mischwälder standen, ging es um rasche Wiederaufforstung mit schnellwüchsigen Arten. Besonders mit Fichten, die nun nicht mehr bloß unter Gipfeln standen, wo sie hingehören, sondern als Monokultur überall im Lande und im Harz auch in den tieferen Lagen, in die eigentlich Ahorn, Buche, Eiche gehören.

Die Kahlschläge im Harz – aus forstlicher Sicht sind sie die nächste Eselei. Mit einem Schirmbestand aus toten Fichten, von denen immer mal wieder eine umfällt und zu Humus wird, könnte der Unterwuchs prächtig gedeihen und neue Bäume geschützt aufwachsen. Die Natur hilft sich selbst. Man darf sie nur nicht davon abhalten. Aber meistens wird Tabula rasa gemacht und sich dann gewundert, dass die teuer, meist mit EU-Förderung angepflanzten, Jungbäumchen vertrocknen.

Die Natur hilft sich selbst. Man darf sie bloß nicht daran hindern.

Inzwischen gehen die toten Fichten nach China, natürlich werden die Container gründlich begast. Mit Gift oder mit Sulfuryfluorid, letzteres ein Treibhausgas mit dem mehrtausendfachen Effekt von CO2! Und ein paar Spezialisten bringen hierzulande „Käferholz“ auf den nimmersatten Markt für Kuriositäten. „Mega, Dein Regal aus Käferholz, so morbid!“

Letzter Schrei: „Käferholz“.

Die Fichten sind, außer in höchsten Lagen, fremd im Harz und im Flachland. Das Fichtensterben eine natürliche Bereinigung. Aber was ist mit unseren Märkischen Kiefern im Havelland? Zwei Herzen wohnen ach in meiner Brust: Zwar gehört die anspruchslose Waldkiefer durchaus auf arme, trockene Sandböden wie hier in Brandenburg. Zwar brauchen wir das vielseitige Kiefernholz für ökologischen Hausbau, und zwar viel davon. Aber klar: Bisher stehen Märkische Kiefern in Monokulturen, mit all ihren Nachteilen: Weitere Austrocknung der Böden, Artenarmut. Es wird höchste Zeit, dass wir an sinnvollen und im Klimastress überlebenden Mischkulturen arbeiten, die aber auch Erträge bringen. Damit wir auch morgen noch Märkische Kieferndielen in unsere Häuser legen können.

Ihr „Dieler“ Erik Heinrich.